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Eine Frau betet zur Hindu-Gottheit Vishnu |
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Das Tolle an dem nur 750 Kilogramm leichten Wagen war, daß es fuhr wie ein Allradauto ohne Allradantrieb. Angetrieben wurde es von dem Boxermotor, der auch im Käfer steckte. Ein Zwischengetriebe an den Hinterrädern sorgte für die nötige Traktion. Bis 1973 wurde der Kübel in Deutschland gebaut, danach noch bis 1980 in Mexiko.
35.000 „Kübel” für Indonesien
So teilt sich die Geschichte des Kübelwagens in eine militaristische und eine pazifistische. Deutsche Wehrdienstleistende lernten die Standheizung des olivgrünen Gefährtes zu schätzen und die pfiffige Ingenieursleistung, die dafür sorgte, daß eingedrungenes Regenwasser problemlos durch die Rostlöcher im Bodenblech ablief.
Gleichzeitig entwickelte sich die in Mexiko produzierte Variante in Kalifornien zu einer beliebten Hippieschleuder. Dort hieß das Modell dann auch nicht mehr militärisch knapp „181”, sondern spaßorientierter „VW Safari” oder „Holiday”. Den Hippies war das allerdings egal, die nannten das Auto, das irgendwie nicht aussah wie ein richtiges Auto, einfach nur „The Thing”.
Von diesem Ding exportierte VW Mexiko ab 1976 dann rund 35.000 Exemplare nach Indonesien, denn auch dort waren die Straßenbeläge noch verbesserungsfähig und die Hippie-Population im Wachsen begriffen. Leicht hippiesk war zu dieser Zeit auch der Österreicher Gery Nutz. Mit 19 Jahren verließ der heute 47jährige seinen Heimatort Melk und begann zu reisen: Pakistan, Indien, der Himalaja, Indonesien, und dort seit 1984 immer wieder Bali. Die Insel mit ihren Franjipani-Farben und verführerischen Gerüchen ließ Gery Nutz nicht mehr los. 1987 heiratete er eine Balinesin. Seinen Lebensunterhalt bestritt er eine Weile mit Schmuckhandel. Dann entdeckte er den Kübel.
Zusammengeschweißt und überlackiert
Seit 1988 fährt Nutz nun Besucher über seine Insel und zeigt ihnen das „klassische Bali” oder das „versteckte Bali”. Eine Geschäftsidee, die offenbar funktioniert. Inzwischen besteht sein Fuhrpark aus einem Dutzend zusammengeschweißter und bunt überlackierter Kübelwagen. Bis zu fünfzig Gäste führt er in einer Kübelkolonne über die Insel.
In jedem seiner Wagen sitzt dann ein deutschsprachiger Guide. Nutz selbst ist eine Art plauderwandelndes Bali-Lexikon. Und neben ihm auf dem Beifahrersitz zu sitzen eine ausgesprochen angenehme Art, etwas über Insel und Leute zu erfahren.
Gerys niederösterreichischer Singsang legt sich über den knatternden Käfermotor, während er von Denpasar Richtung Norden steuert. Der Pura Taman Ayun, der „Gartentempel im Wasser”, einer der sechs sogenannten Reichstempel auf Bali, ist die erste Station. 1634 erbaut, liegt die Anlage auf einer Flußinsel. „Das Flußwasser repräsentiert die Meere, der Teil vor dem gespaltenen Tor steht für die Unterwelt, der Teil dahinter für die Menschen und das Tempelinnere für die Götterwelt”, erklärt Gery, der inzwischen selbst zum Hinduismus übergetreten ist.
„Mach das bloß nicht”
„Auf Bali gibt es wahrscheinlich mehr Tempel als Behausungen”, erzählt er weiter. „Und wenn man sieht, wie kraftvoll das Spirituelle hier ist, da spürt selbst der Aufgeklärteste, daß da noch ein Mehr ist - wenn man sieht, wie die hier im Tempel in Trance fallen.” Der Charme dieser Balikunde besteht darin, daß Nutz es gelingt, geballtes Faktenwissen mit Alltagsanekdoten zu mischen. Er kann eine Tempelanlage bis ins Detail erläutern und erzählen, daß Franjipani-Blüten auf Bali auch Wohnungen schmücken, während sie auf Java als reine Friedhofspflanze gelten.
„Man darf hier keinesfalls Dekoration mit Religion verwechseln”, warnt Nutz und erzählt von einem spirituell unbedarften europäischen Freund, der die Steinfiguren vor seinem Haus mit den üblichen floralen Opfergaben dekorieren wollte. Gerade rechtzeitig sei der noch von einem Balinesen gewarnt worden: „Mach das bloß nicht! Sonst fährt da ein Gott hinein - und dann mußt du das immer machen, sonst wird er sauer!”
Von Mengwi fährt Gery tiefer ins versteckte Bali nach Norden in das Dorf Blahkiuh. Dort bietet er auf dem Markt eine kleine Warenkunde, fachsimpelt über Gewürzzitronen, Meersalz und Reissorten und dreht zur Demonstration eine Kippe aus feilgebotenem javanesischen Tabak. Die Balinesen haben für Reis in seinen verschiedenen Formen wahrscheinlich so viele Worte wie die Eskimos für Schnee, vermutet Gery und zählt einige dieser Worte auf. Nasi ist gekochter Reis, und so wissen wir nun auch endlich, was Nasi Goreng heißt: Gekochter Reis mit Goreng.
Im Reiskorn wohnt die Seele der Reisgöttin
Gery steuert die Kübelwagenkolonne nun durch die malerische Reisterrassenlandschaft in Balis Zentrum. Wann immer er am Straßenrand einen Einheimischen sieht, hupt und winkt er. Die Balinesen winken zurück. Wahrscheinlich denken sie sich: „Aha, der Österreicher wieder mit den komischen Autos.” Wir passieren eine Elefantenkarawane, die Touristen geschultert hat. Auch so läßt sich Bali entdecken. Die Kübelwagen erscheinen schlagartig komfortabel. Zumindest schaukeln sie nicht so sehr.
Später erzählt Gery, wie die Terrassen von den Reisbauern von Hand gestaltet werden, in Harmonie mit der Landschaft, um die Fruchtbarkeitsgöttin Devisree milde zu stimmen. Ganz sanft werde die Reispflanze mit einer versteckten Klinge geschnitten, „als würde man mit der Nagelschere ernten”, denn im Reiskorn wohne die Seele der Reisgöttin. Wahrscheinlich haben die Balinesen auch zweitausend verschiedene Worte für Nachhaltigkeit.
Gery hat inzwischen eine Art Gehöft angesteuert, aus dem eigentlich mal ein Hostel werden sollte. Doch so kam es nicht. Heute macht Gery hier mit seinen Touren Mittagspause. Die Speisen hat seine Frau gekocht. Sie sind unglaublich lecker. Es gibt Tintenfischspieße mit Kokosraspeln, Tempura mit gekochten Sojabohnen und Edelpilzen, Maniokblätter, Meterbohnen und noch vieles mehr, alles serviert auf geflochtenem Palmenblattgeschirr. Auch das ein überzeugendes Nachhaltigkeitskonzept. „Auf Bali ist die Frage nicht: Wer wäscht ab, sondern: Wer bastelt das Geschirr?” sagt Gery, und wir haben wieder etwas gelernt.
„Auf Bali leben die Menschen draußen”
Glücklich und satt nehmen wir die Tour wieder auf. Im Norden besuchen wir ein kleines Dorf. Auch hier kennt jeder Gery. Zwei Dutzend Kinder heften sich beim Dorfspaziergang an unsere Fersen. „Auf Bali leben die Menschen draußen”, sagt Gery und erzählt von seiner 17 Jahre alten Tochter, die auf Bali aufwuchs und nun gerade ein Jahr in Österreich verbringt. „Am Anfang hat die sich sehr gewundert, weil dort niemand auf der Straße war. Gibt's hier keine Leute, hat sie gefragt.”
Die Tour führt weiter in die Berge bei Pelaga. Gepflegt leichtes Wandern in den Regenwald. Gery begeistert sich für Ficus-Arten, die andere Bäume regelrecht strangulieren, und „kluge Bäume”, die ihre Schieflage durch das Abwerfen von Luftwurzeln ausgleichen. Auf dem Rückweg sammelt er eine Plastikflasche ein, die Wanderer hier zurückgelassen haben, die offenbar von Bali weniger verstanden haben als Gery Nutz. Wer weiß, welche Waldgöttin sonst mißmutig wird.
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 15.01.2006, Nr. 2 / Seite V5
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